Ich mag die gerade Linie!
Büro-Gründer Cornelius Fischer über ein Leben für die Architektur
Das Büro Fischer Architekten wurde 1966 von Cornelius Fischer gegründet – 2007 übernahm Claus Fischer die Geschäftsführung. Die architektonische DNA des heutigen Büros Werkstadt Fischer Architekten ist von der Aufbauarbeit geprägt, die Cornelius Fischer in vier Jahrzehnten geleistet hat. Gerade hat er den 90zigsten Geburtstag gefeiert. Hier erzählt er von den Anfängen des Büros – und blickt in die Zukunft.
Ihre Jugend im 2. Weltkrieg war geprägt durch Bombardierungen, die ihre Geburtsstadt Mannheim fast vollständig zerstört haben. Nach Kriegsende haben sie eine Lehre als Zimmermann begonnen. Mit dem Ziel Architekt zu werden und Wiederaufbauarbeit zu leisten?
Ich bin tatsächlich geprägt vom Aufwachsen in Kriegszeiten. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Schulweg vor Fliegerangriffen flüchten musste. Die Inspiration Architektur zu studieren habe ich aber meinem Vater zu verdanken, der Zimmerer und Innungsmeister war. Er hat mich aus dem Gymnasium geholt und in die Lehre gesteckt, weil er die Maxime hatte, dass man mit einer praktischen Ausbildung nie arbeitslos werden kann.
Warum haben Sie sich dann für das Architekturstudium entschieden?
Während der Ausbildung hatte ich viel mit Architekten zu tun und erkannte schnell: Das würde mir gefallen – denn die anstrengende körperliche Arbeit auf der Baustelle hat mir wenig Spaß gemacht. Weil ich kriegsbedingt kein Abitur hatte, habe ich Fortbildungen besucht und bin dann 1952 zum Architekturstudium nach Darmstadt gegangen.
Welche Architektur hat sie während des Studiums am meisten beeindruckt?
Ich war begeistert von der neuen Formsprache, mit der Egon Eiermann die Architektur der Nachkriegszeit geprägt hat. Diese Einfachheit und klare Geometrie des kubischen Baustils hat mir gut gefallen – und bis heute mag ich in der Architektur die gerade Linie.
1955 haben sie im Büro Henschemer in Bergisch-Gladbach erste Erfahrungen gesammelt. Dann sind Sie in renommierte Kölner Büros wie Gilles oder Ripphahn gewechselt, letzteres damals die Nr. 1 in der Domstadt. Was haben Sie damals für ihre Zukunft als Architekt gelernt?
Ich hatte damals diesen Drang in die Ferne. Ich wollte in einer Großstadt arbeiten und habe das Arbeiten und Leben in Köln sehr genossen. Ich habe gelernt, dass das Entwerfen von Bauten im urbanen Raum meine starke Seite ist. Schon mein Dozent an der Hochschule meinte zu mir: „Ihre Entwürfe funktionieren immer“. Ich bekam damals sehr gute Angebote und hatte gerade meine Frau kennengelernt, als mein Vater sagte: „Komm‘ heim nach Viernheim, Du musst zu Hause die Tradition fortführen.“
Keine Überstände, keine Gesimse, einfach Länge mal Breite mal Höhe – alles einfach, klar und mit gerader Linie: das war mein Stil.
Cornelius Fischer
Und dann haben Sie sich gleich selbstständig gemacht?
Zuerst habe ich in Mannheim noch eine Anstellung bei Lange-Mitzlaff angenommen, das Büro, das später die Mannheimer Kunsthalle realisiert hat. Mein Traum war aber die Selbstständigkeit. Ich hatte das Glück, meine Frau aus Köln loseisen zu können, und nach unserer Heirat eröffnet ich 1966 das eigene Büro in einem Mehrfamilienhaus in Viernheim. Der erste Auftrag war ein Flachdachbungalow. Der kam so gut an, dass schon bald die nächsten Aufträge folgten.
Und das Büro ist schnell gewachsen?
Es ist Schritt für Schritt gewachsen. Als mein Sohn Claus auf die Welt kam, musste ich mein Büro in eine Souterrainwohnung mit zwei Zimmern verlegen – das war schon ein großer Schritt. Auf zwei Böcke habe ich ein Türblatt gelegt, das war mein Schreibtisch, an dem ich entworfen habe. 1974 kam dann unsere Tochter, da haben wir in der Oststadt ein Mehrfamilienhaus gebaut und drei Wohnungen erworben. Danach ging es richtig los mit den ersten Praktikanten und dann festen Angestellten.
Welches Projekt war rückblickend das wichtigste Ihrer Laufbahn?
Ende der 60er Jahre wurde von den Stadtwerken Viernheim ein Wettbewerb ausgeschrieben. Das war ein Großprojekt und alle Büros aus der Gegend haben mitgemacht. Irgendwann kam dann der Anruf: Sie haben den 1. Preis gewonnen – und ich habe gedacht: Das hört sich gut an!
Das Stadtwerke-Projekt ist im Foto-Bildband "Remixed" des Fotografen Martin Zeller zu finden, der zu Ihrem 70zigsten Geburtstages veröffentlicht worden ist. Wenn Sie das Projekt nun 20 Jahre später wieder betrachten: Was denken Sie über das Gebäude in der Industriestraße?
Es war eine Pionierleistung. Die Betonfertigteile, die wir eingesetzt haben, waren damals ein ganz neues Thema – ebenso die runden Ecken und die Fugen als gestalterisches Element. Vor einigen Jahren wollte die Stadt Viernheim den Bau dämmen und die Fassade verkleiden. Da haben meine Frau und ich Einspruch erhoben – bis das Thema wieder vom Tisch war.
1999 ist Ihr Sohn Claus Fischer als Partner in die Firma eingestiegen. Haben Sie ihn dazu gebracht Architektur zu studieren?
Claus hat schon als Kind und als Jugendlicher vor Ideen gesprüht und war sehr kreativ. Ursprünglich wollte er Kunst studieren, aber ich war dann sehr froh, dass er sich für Architektur entschieden hat. Anfangs hat er viele großartige Modelle für uns produziert, dann hat er schnell strategische Entscheidungen getroffen, die immer von seinem Interesse für neue Technologien geprägt waren. Als er bei mir als Partner einstieg, sagte er:Ich bleib nicht in der Regionalliga, ich will in die in die Bundesliga. Und heute bin sehr stolz, dass das Büro mit Standorten in Mannheim, Köln und Berlin in dieser Bundesliga erfolgreich ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich bin bereits 2013 aus dem Büro ausgestiegen, aber ich verfolge aufmerksam, wie es mit Werkstadt Fischer Architekten weitergeht. Mein Lieblingsprojekt der jüngsten Zeit ist die schwebende Bibliothek in der Kanzlei Rittershaus im Quartier Eastsite. Das ist ganz weit vorne. Mir gefällt aber auch, dass unsere jahrzehntelange Expertise im Einsatz von Betonfertigteilen heute bei nachhaltigen Bauprojekten zum Einsatz kommt – jetzt verfeinert durch den Einsatz der Textilbeton-Sandwichbauweise und ganz neuen umweltgerechten Technologien. Das ist die Zukunft des Bauens.
Interview: Ralf Laubscher
Fotos: Alexander Münch